DER PAYROLL Podcast Folge 14 - Systemwechsel

Von wegen ganz einfach – Systemwechsel-Projekte erfolgreich umsetzen!

DER PAYROLL PODCAST #14 | 20. November 2025

Systemwechsel werden gerne aufgeschoben. Sie sind anstrengend, binden Ressourcen und laufen selten reibungslos. Doch in den nächsten Jahren führt kein Weg daran vorbei – von der Buchhaltung über Payroll bis zur Zeitwirtschaft. Veraltete Systeme bremsen Digitalisierung aus. Warum? Weil veraltete Systeme einfach nicht mehr die Funktionen bieten, die für Digitalisierung, Schnittstellenfähigkeit und effizientes Arbeiten notwendig sind.

Trotzdem schieben viele Unternehmen diesen Schritt so lange wie möglich hinaus. Gefährlich, denn wer jetzt nicht handelt droht den Anschluss an Digitalisierung und KI zu verlieren.

Genau deshalb sind Vorbereitung, Systemauswahl und eine realistische Erwartungshaltung entscheidend.

In Teil 2 der Zeitwirtschafts-Serie von DER PAYROLL Podcast schauen wir uns das Thema Systemwechsel konkret für die Zeitwirtschaft an: Wie setzt man einen solchen Systemwechsel erfolgreich um? Matthias Gebhard (ProTime/SD Worx) teilt seine Erfahrungen aus 25 Jahren und Hunderten von Projekten – und erklärt, warum die größten Fehler nicht während der Implementierung passieren, sondern schon vorher.


Sabine Katzmair: Herr Gebhard, was ist anders bei einem Zeitwirtschafts-Projekt im Vergleich zu einem Payroll-Systemwechsel?

Matthias Gebhard: Der größte Unterschied: Bei einem Payroll-Wechsel sind in der Regel nur die HR-Abteilung und Führungskräfte direkt betroffen. Bei der Zeitwirtschaft sind es alle Mitarbeiter – vom Produktionsmitarbeiter bis zur Führungskraft. Jeder muss stempeln, Urlaub beantragen, Arbeitszeiten einsehen.

Das bedeutet: Der Faktor Mensch spielt eine viel größere Rolle. Change Management und Akzeptanz sind entscheidend. Wenn Mitarbeiter das System nicht verstehen oder ablehnen, scheitert das Projekt – egal wie gut die Technik ist.


Sabine Katzmair: Sie sagen: „Wenn ein Kunde sagt ‚bei uns ist alles ganz einfach‘, gehen bei mir die roten Lampen an.“ Warum?

Matthias Gebhard: [lacht] Weil es nie so einfach ist, wie der Kunde denkt! Jedes Unternehmen hat spezielle Regelungen – Zuschläge, Arbeitszeitmodelle, Sonderregelungen für bestimmte Abteilungen oder Mitarbeitergruppen.

Ich hatte schon Präsentationen, wo die Personalabteilung gesagt hat „wir machen das so und so“, und der Chef meinte: „Wie, sowas machen wir? Sowas zahlen wir?“ Da war gar nicht das Verständnis da, was eigentlich im Unternehmen läuft.

Deswegen ist eine ehrliche Prozessanalyse der erste Schritt. Man muss wissen: Was läuft heute wirklich? Nicht was in der Theorie laufen sollte, sondern was tatsächlich passiert.


Sabine Katzmair: Was sind denn die wichtigsten Hausaufgaben vor der Anbieterauswahl?

Matthias Gebhard: Das Wichtigste: Prozesse analysieren und dokumentieren. Welche Arbeitszeitmodelle gibt es? Welche Zuschläge werden gezahlt? Wie funktioniert die Schichtplanung heute? Welche Ausnahmen gibt es?

Dann braucht man einen klaren Anforderungskatalog: Was muss das neue System können? Was ist ein Muss, was ist ein Wunsch? Ohne das geht man in Anbietergespräche rein und verliert schnell den Überblick.

Und ganz wichtig: Alte Zöpfe abschneiden. Schlechte Prozesse aus System A in System B zu übertragen, bringt nichts. Ein Systemwechsel ist die Chance, neuere, bessere Prozesse einzuführen. Nur mit neuen Prozessen arbeitet das System auch effizient.


Sabine Katzmair: Wie lange dauert so ein Projekt realistisch?

Matthias Gebhard: Das hängt natürlich von der Unternehmensgröße ab. Aber realistisch – von der ersten Analyse bis zum Go-Live – vergehen oft 6 bis 12 Monate oder mehr.

Viele Unternehmen unterschätzen das. Sie denken: „Das System ist doch fertig, das muss schnell gehen.“ Aber es geht ja nicht nur um die Technik. Man muss Prozesse definieren, Schnittstellen testen, Mitarbeiter schulen, den Betriebsrat einbinden.

Zu optimistische Timelines führen zu Stress, Fehlern und Unzufriedenheit. Lieber realistisch planen und Puffer einbauen.


Sabine Katzmair: Stichwort Betriebsrat – wann muss der eingebunden werden?

Matthias Gebhard: Von Anfang an! Das ist ganz wichtig. Zeiterfassungssysteme haben ein erhöhtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG. Der Betriebsrat muss zustimmen – nicht nur informiert werden.

Wenn ich den Betriebsrat erst kurz vor Go-Live informiere, kann das böse enden. Projektverzögerungen, Blockaden, im schlimmsten Fall muss man nochmal von vorne anfangen.

Transparenz und frühzeitige Einbindung sind entscheidend. Der Betriebsrat muss verstehen: Was macht das System? Welche Daten werden erfasst? Wie werden sie genutzt? Was passiert mit ihnen?

Eine gute Betriebsvereinbarung klärt das alles im Vorfeld. Dann gibt’s später keine bösen Überraschungen.


Sabine Katzmair: Generell ist ein Systemwechsel-Projekt nicht ein reines IT-Projekt, sondern ebenso ein Change-Projekt. Wie wichtig ist das Thema Change Management?

Matthias Gebhard: Absolut richtig! Die Technik ist wichtig, keine Frage. Aber die beste Software nützt nichts, wenn Mitarbeiter sie nicht akzeptieren oder nicht verstehen.

Change Management muss von Anfang an mitgedacht werden. Das heißt: Kommunikation – warum führen wir das neue System ein? Was bringt es den Mitarbeitern? Schulungen – nicht nur technisch, sondern wirklich verständlich. Und: Pilotphasen nutzen, um Kinderkrankheiten zu beheben, bevor das ganze Unternehmen betroffen ist.

Die IT kann das System aufsetzen. Aber das Projekt erfolgreich machen – das macht man nur mit den Menschen.


Sabine Katzmair: Warum scheitern Zeitwirtschafts-Projekte, obwohl die Technik stimmt?

Matthias Gebhard: Die häufigsten Gründe:

Erstens: Unterschätzte Komplexität. „Bei uns ist alles ganz einfach“ – und dann stellt man fest: So einfach ist es nicht.

Zweitens: Fehlende Akzeptanz. Mitarbeiter wurden nicht abgeholt, verstehen das System nicht, lehnen es ab.

Drittens: Unklare Verantwortlichkeiten. Wer ist Projektleiter? Wer entscheidet? Wer kümmert sich um Schulungen?

Viertens: Zu optimistische Timelines. Man hetzt durch das Projekt, macht Fehler, frustriert alle Beteiligten.

Und manchmal auch: Der Betriebsrat wurde zu spät eingebunden und blockiert das Projekt.


Sabine Katzmair: Wie wichtig sind Schnittstellen zur Payroll?

Matthias Gebhard: Absolut entscheidend. Die Zeitwirtschaft liefert die Daten für die Lohnabrechnung. Wenn die Schnittstelle nicht sauber funktioniert, gibt’s Fehler in der Abrechnung – und das merkt jeder Mitarbeiter sofort.

Man muss genau definieren: Welche Zeitart wird mit welcher Lohnart an die Payroll übergeben? Nicht alles muss rüber – Überstunden im Zeitkonto zum Beispiel bleiben in der Zeitwirtschaft.

Und: Testing, testing, testing. Erst testen, dann live gehen. Ich kann nicht oft genug betonen: Lieber eine Woche länger testen als einen Monat lang fehlerhafte Abrechnungen korrigieren.


Sabine Katzmair: Wann macht der Einsatz eines externen Projektleiters Sinn?

Matthias Gebhard: Wenn intern die Ressourcen oder die Erfahrung fehlen, was ehrlich gesagt aufgrund des Fachkräftemangels meist der Fall ist. Ein guter externer Projektleiter bringt Struktur rein, kennt die typischen Stolpersteine und kann interne Mitarbeiter entlasten.

Wichtig ist: Der Externe sollte nicht nur technisch fit sein, sondern zwingend auch HR-Wissen mitbringen. Er muss verstehen, wie Arbeitszeitmodelle funktionieren, welche arbeitsrechtlichen Vorgaben es gibt, wie Payroll-Prozesse laufen. Nur IT-Kenntnisse reichen nicht – viel wichtiger ist Prozess-Wissen.

Und der Wissenstransfer muss gesichert sein – nach Projektende muss das Unternehmen selbst weitermachen können.

Ich sag’s mal so: Ein Berater kann führen und unterstützen. Aber die Entscheidungen und die Verantwortung – die bleiben beim Unternehmen.


Sabine Katzmair: Ihr wichtigster Tipp für Unternehmen, die ein Zeitwirtschafts-Projekt planen?

Matthias Gebhard: Hausaufgaben machen! Prozesse analysieren, Anforderungen definieren, bevor man Anbieter einlädt.

Und: Realistisch planen. Lieber sechs Monate länger einplanen und entspannt arbeiten, als in drei Monaten durchhetzen und Fehler machen.

Ach ja, und: Den Betriebsrat von Anfang an dabei haben. Das spart so viel Ärger!

Sabine Katzmair: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gebhard!


🎧Lieber hören? Das vollständige Gespräch mit Matthias Gebhard – mit allen Details zu Projektplanung, Betriebsrat-Einbindung und typischen Fehlern – gibt es hier:
👉 Jetzt Podcast-Folge anhören

📌 PS: Teil 1 verpasst?

In Folge 13 haben wir geklärt, WAS moderne Zeitwirtschaftssysteme können müssen – inklusive Live-Demo der KI-Schichtplanung.
👉 Jetzt nachhören und sehen (Videopodcastfolge mit KI-Demo)


Über den Gast:

Matthias Gebhard. Seit 25 Jahren Experte für Zeitwirtschaftssysteme und aktuell bei ProTime tätig, einer Tochter der SD Worx Gruppe. Mit seiner langjährigen Erfahrung hat er Hunderte von Unternehmen bei der Einführung und Optimierung von Zeiterfassungs- und Workforce-Management-Systemen begleitet. Er kennt die typischen Stolpersteine in Zeitwirtschafts-Projekten – und weiß, wie man sie von Anfang an vermeidet.

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